Lebenslauf Anton Costima 1945

Englisch-Abschrift von einem schlecht lesbaren 4. oder 5. Durschlag, gefertigt am 10.10.98 und übersetzt von Jan Costima

(Zeilenfall und Schreibfehler beibehalten; zur besseren Lesbarkeit habe ich den Absätzen eine Leerzeile hinzugefügt; [...] sind meine Anmerkungen)

 
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Anton C o s t i m a
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Anton C o s t i m a
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C o u r s e  o f  L i f e
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L e b e n s l a u f
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Born: July 15th, 1912 in Antwerpen, Belgium
Nationality: Netherlands

Religious profession: Roman Catholic
Geboren: 15. Juli 1912 in Antwerpen, Belgien
Nationalität: Niederlande
Religion: Römisch-katholisch

My father descends from Jewish parents of Dutch nationality and is, consequently, full-Jew. He was born April 10th, 1890 in Amsterdam. Before his marriage 1911 he was baptized and admitted to the Catholic church.

My mother descends from a Catholic family in Breda (Netherlands) and was born there July 1oth, 1890.

I had 8 brothers and sisters; five of them are still alive. A twinpair died during the Great War. I am the eldest. My two brothers served in the Dutch Army and had fought as Dutch soldiers 1940 in the Netherlands.

My youngest brother was confined twice by the Nazis, three months on account of espionage-suspicion to a punishment-camp and four months to a Concentration Camp.

My eldest sister [Leni] was married with a Belgian [Robert]. My brother-in-law was killed 1940 as Belgian officer in the battle near Liége (Belgium). Some months later his little daughter [Roberta] was born who never had seen her father and whose godfather I am.

In Antwerpen I frequented the day- and intermitate school and the Higher Catholic Commercial School, Institute St.Norbert. (non-classical secondary grammar-school)

By the Dominican Friars in Antwerpen I came to Germany (1933). At the universities of Berlin and Leipzig I studied social- and newspaper-sciences, organisation's doctrine and history of art (Faculty of philosophy).

During that time I refused offers of certain circles to take active part in politics in Belgium and Netherlands.

On account of that I was refused a further exhibition, and the financial state of my family being not very favourable, I had to look out for a position, to assist my parents.

1937 I entered the tourists'office Wirtz in Antwerpen. 1939 I established a tourists'office of my own in Antwerpen, which I set up October 10th, 1939, on account of the European state of that time.      

Mein Vater stammt von jüdischen Eltern holländischer Nationalität ab und ist infolgedessen Volljude. Er wurde am 10. April 1890 in Amsterdam geboren. Vor seiner Heirat 1911 wurde er getauft und trat in die katholischen Kirche ein.

Meine Mutter stammt von einer katholischen Familie in Breda (Niederlande) ab und wurde dort am 10. Juli 1890 geboren.

Ich hatte 8 Brüder und Schwestern; fünf von ihnen leben noch. Ein Zwillingspaar starb während des 1. Weltkrieges. Ich bin der Älteste. Meine zwei Brüder dienten in der holländischen Armee und hatten als holländische Soldaten 1940 in den Niederlanden gekämpft.

Mein jüngster Bruder wurde zweimal von den Nazis für drei Monate wegen Spionageverdachts in einem Straflager und vier Monate in einem Konzentrationslager gefangen gehalten.

Meine älteste Schwester [Leni] war mit einem Belgier [Robert] verheiratet. Mein Schwager wurde 1940 als belgischer Offizier in der Schlacht nahe Liége (Belgien) getötet. Einige Monate später wurde seiner kleinen Tochter [Roberta] geboren, die ihren Vate nie gesehen hatte und deren Pate ich bin.

In Antwerpen besuchtete ich die Ganz- und Halbtagsschule und die höhere katholische Handelsschule, Institut St.Norbert. (Real-Gymnasium)


Durch dominikanische Mönche in Antwerpen kam ich nach Deutschland (1933). An den Universitäten von Berlin und von Leipzig studierte ich Gesellschafts- und Zeitungs-Wissenschaften, Wirtschaftslehre und Kunstgeschichte (Philosophische Fakultät).

Während dieser Zeit lehnte ich Angebote bestimmter Kreise ab, in Belgien und in den Niederlanden politisch aktiv zu werden .

Deswegen wurde mir ein weiteres Stipendium versagt und da die finanzielle Lage meiner Familie nicht gerade bestens war, musste ich nach einem Job suchen, um meine Eltern zu unterstützen.

1937 trat ich eine Stelle beim Reisebüro Wirtz in Antwerpen an. 1939 gründete ich - wegen der europäischen Lage dieser Zeit - mein eigenes Reisebüro in Antwerpen, das ich am 10. Oktober 1939 eröffnete, .

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 In the tourists'office of Wirtz I held the organisation of co-oper- ative tours to Germany. I did that to bring German Jews illegally out of Germany. I affirm expressly that I never accepted any reward in whatever a form it was offered. At that time I was arrested some times by the German frontier-police because of such affairs. After some days they released me each time, having no proofs.

In September 1938 I married a girl from Stuttgart. My wife being pharm.chemist and whising still to practise her profession, we rented a dwelling at Aix-la-Chapelle [Aachen]. For the weekend I went by train from Antwerpen to Aix-la-Chapelle to my wife. Nearly every fortnight I was troubled by the Gestapo who probably had an espio- nage-suspicion on account of those continual drives. Once I was arrested even over weekend till Wednesday without any state- ments.

In the month of July 1939 a Jew from Antwerpen asked me to bring his parents (80 an 78 years old) living in Vienna [Wien] out of Germany. Without delay I made the parents come to Cologne [Köln] and lodged them in the hotel "Comödienhof". This time the frontier-passage failed by the indescribable nervousness of the old people. We were caught. About two weeks I spent in the jail of Aix-la-Capelle. After several trials I was set free contemporarily, together with the driver. On the August 1st, 1939 I gave notice to my flat to go to Antwerpen with my family, but the war broke out and I could not have the flat any longer.

After having got a so-called frontier-evacuation-order, we moved to my mother-in-law [Elisabeth Deufel] at Stuttgart (October 1939). [Mein Bruder Dieter wurde am 1. Juli 1939 in Aachen geboren].

Till February 1st, 1940 I had no employment. Demands and offers from certain suspicious military places and from the Gestapo I refused on principle.

The leader of the Broadcasting Corporation, Hadamovsky, whom I had heard at the university of Berlin and whose attention had been drawn to me, made me come to potsdam. There I should be trained with other foreigners in German military uniforms in a first propaganda company. I refused. If I had known that in advance, I should never have gone to Potsdam. They made me the offer to come to the broadcast as a translator. I accepted, for at that time I believed the Broadcasting-Corporation of the Reich so be a private enterprise. It was the contrary.

I remained at the Broadcast with two interruptions; the first from July 1st, 1940 till December 1st, 1940, when I was fetched away from      

Im Reisebüro Wirtz organisierte ich Gruppenreisen nach Deutschland. Ich tat das, um deutsche Juden illegal aus Deutschland herauszuholen. Ich bestätige ausdrücklich, daß ich nie irgendwelche Belohnungen annahm, in welcher Form auch immer sie mir angeboten wurden. Zu dieser Zeit wurde ich einige Male durch die deutsche Grenzpolizei wegen solcher Angelegenheiten inhaftiert. Nach einigen Tagen wurde ich immer wieder entlassen, weil sie keine Beweise hatten.
Im September 1938 heiratete ich ein Mädchen aus Stuttgart. Weil meine Frau, eine Apotherkerin, ihren Beruf weiterhin ausüben wollte, mieteten wir eine Wohnung in Aachen. Über das Wochenende fuhr ich zu meiner Frau mit dem Zug von Antwerpen nach Aachen. Fast alle vierzehn Tage hatte ich mit der Gestapo Schwierigkeiten, die wahrscheinlich einen Spionageverdacht aufgrund dieser regelmässigen Fahrten hatten. Einmal wurde ich sogar über ein Wochenende hinaus bis Mittwoch ohne irgendeine Erklärung gefangen gehalten.
Im Juli 1939 bat mich ein Jude aus Antwerpen, seine Eltern (80 und 78 Jahre alt), die in Wien wohnten, aus Deutschland herauszubringen. Sofort ließ ich die Eltern nach Köln kommen und brachte sie im Hotel "Comödienhof" unter. Dieses Mal gelang uns der Grenzübergang durch die unübersehbareNervosität der alten Leute nicht. Wir wurden gefangen genommen. Ungefähr zwei Wochen verbrache ich im Gefängnis von Aachen. Nach mehreren Untersuchungen wurde ich vorrübergehend zusammen mit dem Fahrer entlassen. Am 1. August 1939 bestätigte ich die Wohnung um mit meiner Familie dorthin zu gehen, aber der Krieg brach aus und ich konnte die Wohnung nicht länger halten.

Nachdem wir einen sogenannten Grenzevakuierungbescheid erhalten hatten, zogen wir zu meiner Schwiegermutter [ Elisabeth Deufel ] nach Stuttgart (Oktober 1939).

Bis zum 1. Februar 1940 hatte ich keine Beschäftigung. Nachfragen und Angebote von bestimmten verdächtigen militärischen Stellen und von der Gestapo lehnte ich aus grundsätzlichen Erwägungen ab.

Der Geschäftsführer der Rundfunkgesellschaft, Hadamovsky, den ich an der Universität von Berlin gehört hatte und dessen Aufmerksamkeit ich auf mich gezogen hatte, ließ mich nach Potsdam kommen. Dort sollte ich mit anderen Ausländern in deutschen militärischen Uniformen in einer ersten Propagandafirma ausgebildet werden. Ich lehnte ab. Wenn ich das im voraus gewußt hätte, wäre ich nie nach Potsdam gegangen. Sie machten mir das Angebot, zur Sendung als Übersetzer zu kommen. Ich akzeptierte, weil ich zu dieser Zeit annahm, dass die Reichs-Rundfunkgesellschaft ein Privatunternehmen sei. Es war das Gegenteil.

Ich blieb beim Sender mit zwei Unterbrechungen; die erste vom 1. Juli 1940 bis 1. Dezember 1940, als ich aus dem Sender weggeholt wurde

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the Broadcast and without further ceremony was obliged at the Command in chief of the Wehrmacht. This activity of seven months consisted in classifying the Belgian prisoners of war and accomplishing the return back. I have done this without being obliged to make myself reproaches, and withaout giving to the Belgian prisoners of war any occasion to make reproaches to me. I should have been easy for me to earn a lot of money by these releases. But I have never taken one penny for them.
In the beginning of December 1940 I was denounced on account of [Schwester Helga's Geburtstag 29. Dezember 1940, Stuttgart] "relations with the enemy". Being often at Antwerpen by the accompaniment of the transports-back of the prisoners of war, I had intercourse with anti-Nazis and catholic priests. But never they made any proposal or offer to me. The Security Service wished now to make use of me as a police-spy in Brussel or Antwerpen. I refused categorically. Then I should be extorted to call names of suspected persons. This endeavour unsucsessfull, too. I due it only to the intercession of Mr. criminal-comissioner Anton Rothmund at the Gestapo in Stuttgart, an to the town-councillors Mr. Dr. Edward Könkamp and Mr. Dr. Erich Schlenker, both in Stuttgart, that I was let alone and that I could return to the Broadcast on February, 1st, 1941. Mr. Rothmund was a man who in spite of Gestapo-service started from purely human point of view, and to whom many Belgians and Dutchmen due their freedom. He was also involved in the plot of July, 20th.

Seeming to have good speaker qualities - I already spoke 1932/33 in the Catholic-Broadcast in Belgium and in the Antwerpen transmitter - I came to the microphone. I only was busy cultural concerns. During this time I was arrested twice by the Securityservice. Till to-day I do not know why.

[Mein Geburtstag am 22. Februar 1942, Stuttgart] In the course of the month of July till September 1942 the DAF asked me to take upon myself the position as a "Reichsbetreuer for cultural concer[n]s" (Westsector). I refused. Then I got the offer to come to Stuttgart as a district-communicationman for the Flamlanders. Having the possibility of staying with my family I accepted under certain conditions.

In November 1st, 1942 I began my new activity. Realising after some time that I could do very little for the workers and that I had only the choise of beeing either a good DAF-man or a friend and councellor of the workers, I decided to become the latter, whereby I fell in this favour as the DAF as well in Stuttgart as in Berlin. At that time there rose a gloomy propaganda for the SS. Among the    

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und ohne weitere Förmlickeiten dem Leiter der Wehrmacht unterstellt wurde . Diese siebenmonatige Tätigkeit bestand darin, belgische Kriegsgefange einzustufen und deren Rückkehr auszuführen. Ich habe dies getan, ohne dass ich mir Vorwürfe machen musste und ohne dass ich den belgischen Gefangenen irgendeinen Anlass gab, mir Vorwürfe zu machen. Es wäre leicht für mich gewesen, eine Menge Geld mit diesen Freilassungen zu verdienen. Aber ich habe nie einen Penny für sie genommen.

Anfang Dezember 1940 [Schwester Helgas Geburtstag 29. Dezember 1940, Stuttgart] wurde ich wegen "Kontakt mit dem Feind" denunziert . Weil ich oft in Antwerpen durch die Rücktransportbegleitung von Kriegsgefangen war, hatte ich Verkehr mit Nazi-Widerstand und katholischen Priestern. Aber nie wurden mir Anträge oder Angebote unterbreitet. Der Sicherheitsdienst wollte mich jetzt als Polizei-Spion in Brüssel oder in Antwerpen einsetzen. Ich habe kategorisch abgelehnt. Dann wurde ich genötigt, Namen von verdächtigen Personen zu nennen . Dieses Bemühen war ebenfalls vergeblich. Ich verdanke es nur der Vermittlung von Herrn Kriminalkommissar Anton Rothmund bei der Gestapo in Stuttgart, und den Stadträten Herrn Dr. Edward Könkamp und Herrn Dr. Erich Schlenker, beide in Stuttgart, dass ich in Ruhe gelassen wurde und dass ich am 1.Februar 1941 zum Rundfunk zurückkehren konnte. Herr Rothmund war ein Mann, der trotz Gestapodienst ausschliesslich vom menschlichen Standpunkt ausging und dem viele Belgier und Holländer ihre Freiheit verdanken. Er war auch in die Verschwörung vom 20. Juli eingebunden.

Da ich gute Sprecherqualitäten zu haben schien - ich sprach bereits 1932/33 im Katholischen Rundfunk in Belgien und im Antwerpen- Sender - kam ich ans Mikrophon. Ich war nur mit kulturellen Inhalten beschäftigt. Während dieser Zeit wurde ich zweimal durch den Sicherheitsdienst verhaftet. Bis heute weiß ich nicht warum.

[Mein Geburtstag morgens 22. Februar 1942, Stuttgart] Im Verlauf der Monate Juli bis September 1942 fragte mich die DAF*, die Position als "Reichsbetreuer für kulturelle Angelegenheten" zu übernehmen (Westsektor). Ich lehnte ab. Dann erhielt ich das Angebot, nach Stuttgart als Bezirksverbindungsmann für die Flamen zu gehen. Weil ich die Möglichkeit sah, bei meiner Familie zu bleiben, akzepierte ich unter bestimmten Bedingungen.
Am 1. November 1942 fing ich meine neue Tätigkeit an. Als ich nach einiger Zeit merkte, daß ich für die Arbeiter sehr wenig tun konnte und daß ich nur die Wahl hatte, entweder ein guter DAF-Mann zu sein oder ein Freund und Berater der Arbeiter, entschied ich, das letztere zu werden, wobei ich in der Gunst der DAF abfiel, sowohl in Stuttgart wie in Berlin. In dieser Zeit entstand eine düstere Werbung für die SS bei den

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workers in July 1943, a propaganda which I refused on principle. (Besides DAF-Salary 120.-RM. by day). It came to a quarrel between my person on one side and the DAF Stuttgart and the office-direction in Berlin on the other side. Besides I warned all the workers, Flamlanders as well as Dutchmen, of an entry in the SS. The Completion Office of the Waffen-SS menaced me with a concentration camp because I counteracted the SS-propaganda in public.

At that time I helped diffrent workers out of prison and off the hands of the Gestapo and could even manage to help them on their flight to Swizerland.

In August 1st, 1943 I presented my discharge. In September 1st, 1943 I was dismissed without delay. I restrained on account of my salary. I had to go but I got my salary till November 1st, 1943. [Bruder Tilman's Geburtstag 2. November 1943, Stuttgart].

Till May 1st, 1944 I did nothing. The Labour Office urging, I took up my activity at the broadcast again. After July 20th, a series of arrests was executed by the Gestapo in the country group West, at Stuttgart. Besides being involved in espionage affairs the managers of the French editorship and others seemed to be Jews. I remained unharmed once more. At that time I only took up worker greetings without commentary.

I just wanted to mention that I had good connections with the Dutch Prisoners of War (Camp of Warprisoners Stuttgart - Schwabenschule Moltkestr.) To some of them I gave civil clothes and helped them, where ever I could.

Three weeks before Easter till to-day I have stayed with my family in Unterdeufstetten - Kreis Crailsheim. The time before March 1st, I alway[s] should be engaged to Berlin. I refused it. Since January 1st, 1945 I have not received any salary.

After having been arrested several times there is reason to ask how it was possible for me to come to the Broadcast (1940) nevertheless, to marry a German Girl being half-Jew (1938) etc. I only can declare that it was only to be reduced to the unprecedented great stupidity of the Nazis in Germany.

But everybody will understand that I endured anguishes too, during these years, for if only something was known, the next day my family and I would have been taken to a Concentration-camp. References are at your disposal in Be[l]gium, in the Netherlands, and in Germany.  

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Arbeitern im Juli 1943, einer Propaganda, die ich aus grundsätzlichen Erwägungen ablehnte (außer dem DAF-Gehalt von 120.-RM. pro Tag). Es kam zu einem Streit zwischen meiner Person auf der einen Seite und dem DAF Stuttgart und der Amtsleitung in Berlin auf der anderen Seite. Nebenbei warnte ich alle Arbeiter, Flamen sowie Holländer, vor einem Beitritt in die SS. Das Anwerbungsamt der Waffen-SS drohte mir mit Konzentrationslager, weil ich der SS-Propaganda in der Öffentlichkeit entgegenwirkte.

Zu dieser Zeit half ich verschiedenen Arbeitern aus dem Gefängnis heraus und weg vom Zugriff der Gestapo und konnte sogar zu ihrem Flug in die Schweiz behilflich sein.

Am 1. August1943 stellte ich meinen Entlassungsantrag. Am 1. September 1943 wurde ich sofort entlassen. Ich legte Einspruch ein wegen meines Gehaltes. Ich mußte gehen, aber ich erhielt mein Gehalt bis 1. November 1943. [Bruder Tilmans Geburtstag 2. November 1943, Stuttgart].

Bis zum 1. Mai 1944 tat ich nichts. Durch das Drängen des Arbeitsamts nahm ich meine Tätigkeit beim Rundfunk wieder auf. Nach dem 20. Juli wurden eine Reihe von Verhaftungen durch die Gestapo in der Landgruppe West in Stuttgart vorgenommen. Außer in Spionageangelegenheiten verwickelt zu sein, schienen die Manager der französischen Redaktion und andere Juden zu sein. Ich blieb noch einmal unbehelligt. Zu dieser Zeit nahm ich nur kommentarlos Arbeitergrüße auf .

Ich will auch erwähnen, daß ich gute Beziehungen zu den holländischen Kriegsgefangen hatte (Kriegsgefangenlager Stuttgart - Schwabenschule Moltkestr.). Einigen von ihnen gab ich Zivilkleidung und half ihnen, wo immer ich konnte.

Drei Wochen vor Ostern bis heute bin ich mit meiner Familie in Unterdeufstetten - Kreis Crailsheim geblieben. Die Zeit vor dem 1. März sollte ich immer in Berlin arbeiten. Ich lehnte das ab. Seit dem 1. Januar1945 habe ich überhaupt kein Gehalt mehr erhalten.

Nachdem ich mehrmals verhaftet worden war, stellt sich die Frage, wie es mir möglich war, trotzdem zum Rundfunk zu kommen (1940), ein deutsches Mädchen als Halbjude heiraten (1938) usw... Ich kann mir das nur mit der beispiellosen großen Dummheit der Nazis in Deutschland erklären.


Aber jeder wird verstehen, daß ich auch Ängste während dieser Jahre aushalten musste, denn wenn nur etwas bekannt geworden wäre, wären am nächsten Tag meine Familie und ich in einem Konzentrationlager verschwunden. Empfehlungsschreiben stehen zu Ihrer Verfügung in Belgien, in den Niederlanden und in Deutschland.

 
[Rückseite 4 handschriftlich mit Bleistift: links: Frau Hanna Costima im Schloss Unterdeufstetten rechts: Dem Chef des C.I.C [Commander in Chief?] heisst Captain Ivens.-zuschieben [oder geschrieben?] Captain Evans]    

* Deutsche Arbeitsfront, Abkürzung DAF, an Stelle der gewaltsam aufgelösten freien Gewerkschaften im Zuge der Gleichschaltung am 10. Mai 1933 von den Nationalsozialisten gegründete Organisation.
SS, Schutzstaffel - politische Organisation im Dritten Reich
Gestapo, Geheime Staats-Polizei im Dritten Reich