Deutscher Bundestag - Bundestag Heft 2/05.02.97 | |
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Finanzen: Als Ausweis genügte "persönlich bekannt"
Angestellte der Berliner Scheurmann-Bank sagten vor 2. Untersuchungsausschuß "DDR-Vermögen" ausDer Vermerk "Persönlich bekannt" hat früher auch bei der Otto-Scheurmann-Bank in Berlin genügt, um weitere Nachprüfungen über die Identität von Kunden zu unterlassen oder lückenhaft ausgestellte Karteikarten als ordnungsgemäß abzuzeichnen. Das ging aus der Aussage des Leiters der Organisationsabteilung der Bank, Eckehard Vogt hervor, der am 30. Januar vor dem 2. Untersuchungsausschuß "DDR-Vermögen" Auskunft über die Anmietung eines Schließfachs durch Alexander Schalck-Golodkowskis Ehefrau Sigrid unter ihrem Mädchennamen Gutmann geben sollte.
Vogt hatte die ordnungsgemäße Ausfüllung der Karte quittiert, obwohl weder die Adresse der Kundin noch deren Staatsangehörigkeit eingetragen worden waren, weil der Direktor der Bank, Hans-Jürgen Laborn, die Kundin als persönlich bekannt ausgewiesen hatte. Vogt bestätigte, daß er Zugang zu dem Bankfach hatte, in dem die Passepartoutschlüssel verwahrt waren, verneinte jedoch, jemals am Schließfach von Frau Schalck-Golodkowski gewesen zu sein. Mit der Kundenbetreuung habe er nichts zu tun gehabt. Es sei nachprüfbar, so Vogt, wer von den Bankangestellten an welchen Tagen berechtigt gewesen sei, die Zweitschlüssel der Bank zu benutzen und mit Kunden Schließfächer aufzusuchen.
Daten nicht geprüft
Dieses Verfahren bestätigte Anneliese Titel, ehemalige Mitarbeiterin der Scheurmann-Bank, im Grundsatz. Sie war vertretungsweise in der Kundenbetreuung tätig. An Sigrid Schalck-Golodkowski könne sie sich nicht erinnern, bestätigte aber, daß eine Eintragung von ihr auf der Schließfachkarte vom November 1989 stammt. Auch sie berichtete, daß Daten nicht geprüft wurden, wenn die Karte den Vermerk "persönlich bekannt" enthielt.
Die ehemalige Leiterin der Abteilung Ausland der Bank, Hannelore Heiter, teilte mit, es sei nicht üblich gewesen, daß ein Bote, ein in ganz Berlin agierender Ausländer, hohe Geldbeträge, vornehmlich DM und Dollar, in nicht adressierten Umschlägen brachte oder in mit einem "A" versehenen Umschlägen wegschaffte. Daß er den Direktor der Bank als Betreuer hatte, war für sie indes nicht bemerkenswert, ebensowenig die Geldgeschäfte, die auf Grund der Anweisung in den überbrachten Umschlägen getätigt werden mußten. Dies sei als Kundenservice gemacht worden. Dabei habe sie nur die ihr erteilten Anweisungen ausgeführt.
Fragen aus dem Ausschuß, ob sie keine Veranlassung gesehen hätte zu fragen, ob das Geld für DDR-Stellen gewesen sein könnte, verneinte sie mit dem Hinweis, daß hinter den Aufträgen die Liechtensteiner Firma "Anstalt Mondessa" gestanden habe, über die mit der Züricher Bank für Handel und Effekten (BHE) Geld- und Posttransaktionen getätigt worden seien.
Die Zeugin sagte, sie habe nicht gewußt, daß der Scheckaussteller "Jürgen Keller" Schalck-Golodkowski war. Das habe sie erst viel später von Laborn erfahren. Erst nach der Wende sei ihr zu Ohren gekommen, daß die Bank Geschäfte mit der DDR gemacht hat. Sie bestätigte, daß sie den Schweizer Bankier Max Moser, den sie für einen Repräsentanten der BHE hielt, bei Laborn gesehen habe. Über Moser seien Transaktionen gelaufen, die von der Geschäftsleitung angekündigt und nach Telexanweisungen ausgeführt worden seien. Da sie mit den Schließfächern nichts zu tun gehabt habe, seien ihr Sigrid Schalck-Golodkowski und deren Besuche nicht bekannt geworden.
Arbeitsgruppe gebildet
Um die Rolle des Bundesfinanzministeriums bei der Verfolgung von Ansprüchen ging es bei der Zeugenvernehmung von Unterabteilungsleiter Kurt Bley, der als Referatsleiter verantwortlich für die Privatisierung zahlreicher Bereiche der DDR-Wirtschaft gewesen war.
Er bestätigte auf Fragen, daß kürzlich beim Bundeskanzler eine Arbeitsgruppe gebildet wurde, die die Aktivitäten der verschiedenen Gremien, die mit dem Aufspüren von DDR-Vermögen befaßt sind, sammeln und zu einer "Gesamterkenntnis" führen soll. Es bestehe die Gefahr, daß "Wissen nicht genutzt" werde, wenn 13 Stellen die gleiche Aufgabe ohne Koordinierung verfolgen. Es müsse geprüft werden, wo etwas nicht verfolgt werde, wie es mit Vergleichen und Schiedsverfahren stehe und wie mit Prozessen Ansprüche realisiert werden. Die deutsche Einheit müsse "einmal zu Ende kommen und Rechtsfrieden eintreten".
Bley schilderte dem Ausschuß, warum man einen Vergleich wegen eines von einem Konsortium vor der Vereinigung gewährten Darlehens für Dresden befürwortet hatte, nachdem die Stadt in der Schweiz verklagt worden war. Es sei schwierig gewesen, die zivilrechtlichen Gegebenheiten zu klären.
Das Ministerium habe sich an den zivilrechtlichen Verhältnissen orientieren müssen, vor allem nachdem die Staatsanwaltschaft zweimal Verfahren gegen Personen wegen möglicher Verfehlungen im Zuge der Geldbeschaffung eingestellt habe. Daß jetzt aufgrund neuer Erkenntnisse aus den Zivilverfahren strafrechtliche Ermittlungen mit einer Pfändung des Geldes möglich seien, begrüßte Bley, sei es ihm doch darum gegangen, Vermögen für die Bundesrepublik zu sichern und sie dort "einzusammeln", wo er sie fand.
Kurs von drei zu eins
Durch den vom Ministerium mit dem ausländischen Konsortium erreichten Vergleich sei es möglich gewesen, die Schuldsumme im für Ausländer geltenden Umtauschkurs von 3 Mark der DDR zu 1 DM festzuschreiben, statt wie gefordert von 2 zu 1.
Bley schilderte dem Ausschuß auch die Schwierigkeiten beim Privatisieren des volkseigenen Außenhandelsbetriebs Metallurgiehandel. Die Abwicklung habe die Firma Thyssen vorgenommen. Über die dabei von Thyssen aufgrund der zivilrechtlichen Verträge geltend gemachten Forderungen sei es zu Auseinandersetzungen gekommen, ohne daß zunächst strafrechtlich relevante Tatsachen von Mitarbeitern der Firma bei einem Vergleich hätten einbezogen werden können. Die Prüfung des Ministeriums habe sich nur auf die vertraglichen Abmachungen beziehen können. Die strafrechtliche Seite habe von der Staatsanwaltschaft geprüft werden müssen.