Deutscher Bundestag - Bundestag Heft 9/15.05.96 | |
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Finanzen: "Ein Trüffelschwein würde noch was finden"
Zeugen berichteten dem 2. Untersuchungsausschuß über Geld- und Vermögensverschiebungen bei KoKo"Heute für morgen handeln" war das Motto eines der Unternehmen, mit denen das DDR-Wirtschaftsunternehmen "Kommerzielle Koordinierung" (KoKo) im Westen zusammenarbeitete. Getreu dieser Devise verlagerte KoKo 1989 und 1990 Gelder auf verschiedene im Ausland befindliche Konten, wie Bruno Webers und Wilfried Kroll, Mitarbeiter der Treuhandanstalt (THA) und deren Nachfolgerin, der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS), dem 2. Untersuchungsausschuß "DDR-Vermögen" am 9. Mai erläuterten.
Der Untersuchungsausschuß vernahm sie als Zeugen zu Prüfergebnissen über KoKo-Betriebe und zur Praxis der Überprüfung von THA-Verträgen zur Privatisierung von DDR-Unternehmen.
Webers, der bis September 1995 - seit Februar 1994 als Abteilungsleiter - damit befaßt war, Geld- und Vermögensverschiebungen im Bereich KoKo aufzuspüren, war nicht der Meinung, daß dieser Bereich genug durchforstet sei, wie es die Regierung gegenüber dem Untersuchungsausschuß dargestellt hatte. Ein "gutes Trüffelschwein" würde sicherlich noch einiges auffinden, so Webers.
"Kopfwissen" ging weg
In diesem Zusammenhang bedauerte er, daß Mitarbeiter des Sonderprüfungsbereichs, der die Außenhandelsbetriebe, Unternehmen von KoKo und des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) untersucht, nicht in ihren Verträgen gehalten, sondern durch neue Kräfte ersetzt wurden. Das habe die Arbeit erschwert. Beim Weggang der erfahrenen Kräfte sei auch das "Kopfwissen", das nicht dokumentiert werden könne, weggegangen: "Die etwas sagen konnten, waren nicht mehr da".
Webers sagte, nach der Haltung des Bundesfinanzministeriums gefragt, er gehe davon aus, daß das Ministerium in die Personalentscheidungen eingeschaltet worden war. Auf Fragen aus dem Ausschuß vermutete er, daß einige der ehemaligen Mitarbeiter wieder aktiviert werden könnten. Im Ausschuß war darauf hingewiesen worden, fraktionsübergreifend herrsche die Auffassung vor, es sei nötig, alles aufzuspüren, was noch zu finden ist, und daß es wohl noch eine Menge Arbeit gebe.
Webers gab an, daß die Arbeitsgemeinschaft KoKo regelmäßig zusammenkomme, daß es jedoch schwer sei, die Ergebnisse zusammenzuführen, weil die unterschiedlichen Unternehmensbereiche von verschiedenen Direktoraten bearbeitet würden.
Wie im Sonderprüfungsbereich gearbeitet wurde und wie schwierig es war und ist, Transaktionen aufzufinden, legte Kroll dar, der noch heute dieser Tätigkeit nachgeht. Er prüfte sowohl Außenhandelsbetriebe als auch Unternehmen der KoKo. Während Untersuchungen bei Außenhandelsbetrieben wegen vorhandener Unterlagen und der Kooperationsbereitschaft der Betriebsangehörigen leichter gewesen seien, sei es bei KoKo-Betrieben nur durch das Zusammensetzen von Puzzlesteinen möglich gewesen, auf Geld- und Vermögenstransaktionen zu kommen und sie zu verfolgen. KoKo habe alles verschleiert. Man stoße nicht auf Buchwerke und Dokumentationen.
Von KoKo-Chef Dr. Alexander Schalck-Golodkowski sei man nur dann nicht angelogen worden, wenn es um keine KoKo-Angelegenheit ging, sagte Kroll. Einer seiner Mitarbeiter habe, wie auf Fragen der Abgeordneten nach dem Mitwirken bei der Aufdeckung festgestellt wurde, "richtig ausgepackt".
Das habe vornehmlich auch für die Vorgänge zur Einrichtung der Briefkastenfirma "Anstalt Mondessa" in Liechtenstein gegolten. Auf Mondessa seien sie durch einen Vermerk in Unterlagen der Westberliner Scheurmann-Bank gestoßen, über die 1989 Millionenbeträge umgeschlagen worden seien.
Schalcks Konten
Die Zeugen legten dar, daß sie anders als alle anderen "Anstalten" behandelt worden war. Schalck habe betont, daß alle dort geführten Konten seine gewesen seien. Verfügungsberechtigt seien Schalcks Frau, der Stellvertreter von Schalck im KoKo-Bereich, Manfred Seidel, und Schalck selbst gewesen. Die Konstruktion lasse vermuten, daß es sich nicht um eine Firma von KoKo, sondern des MfS gehandelt habe.
Kroll und Webers erläuterten dem Ausschuß auch, wie schwierig sich die Einsicht in Unterlagen bei den Behörden in Vaduz gestaltet habe und wie zäh die Zusammenarbeit mit Vertretern im Bankenbereich und mit Unternehmensrepräsentanten gewesen sei. Dies legten sie anhand der Prüfung der Vorgänge dar, die in Holland für KoKo getätigt wurden. Es habe sich um den umsatzstärksten Westbereich in der Vermarktung von DDR-Produkten gehandelt.
Bei der Prüfung sei es vor allem um eine um mindestens 10 Millionen DM unterbewertete Firma gegangen. Wegen möglicher Vergehen sei auch die Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden.
Unterlagen vernichtet
Der Ausschuß erörterte auch den Brand in einem Lagerhaus im Rotterdamer Hafen, durch den 1994 alle Unterlagen vernichtet worden seien. Es sei nichts mehr für eine Prüfung auffindbar gewesen. Die Zeugen betonten, daß die Zusammenarbeit mit der THA, aber auch mit der Staatsanwaltschaft und der Zentralen Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität (ZERV), gut gewesen sei.
Webers hatte dem Ausschuß darüber hinaus vorgetragen, wie er im Vertragsmanagement der BvS überprüft, ob und wie die Privatisierungsverträge eingehalten werden. Dabei stünden die der THA zugesicherten Arbeitsplätze in den Unternehmen und die zugesagten Investitionen im Vordergrund. Webers räumte ein, daß vieles nur zur Verhandlung anstehe, weil früher Verträge zu schnell und zu euphorisch geschlossen worden seien.
Zu seinem Aufgabenbereich zähle auch die Prüfung, ob Altlasten - wie zugesichert - beseitigt wurden, berichtete Webers. Die Kontrolle geschehe in den Unternehmen und mit Hilfe von Wirtschaftsprüfern und der Analyse der Unternehmensbilanzen. Es habe sich gezeigt, daß nicht alles, was abgezeichnet worden war, auch stimmte. Webers betonte, daß das Prüfverfahren durch Aktualisierung der Regelwerke verbessert worden sei. Auf Fragen sagte er, die gesetzlichen Grundlagen reichten aus, um die Vertragseinhaltung zu gewährleisten.